30. November 2023

Emotionale Achterbahnfahrt mit Lemgoer Happy End

Emotionsgeladener hätte das Wiedersehen zwischen dem TBV Lemgo Lippe und Aufsteiger ThSV Eisenach kaum ausfallen können: Acht Jahre nach dem letzten Aufeinandertreffen beider Teams im Handball-Oberhaus behielten die Lipper in einem mitreißenden Abnutzungskampf die Nerven, bejubelten nach 60 höchst unterhaltsamen und intensiven Minuten den hart erkämpften 26:24 (14:11)-Heimsieg. Auch das direkte Duell der Schweizer Nationalspieler entschied Lippes Linksaußen Samuel Zehnder gegen Manuel Zehnder (sieben Treffer) mit neun Toren für sich. Die Show „stahl“ ihnen jedoch jemand anders – und dafür brauchte Siegtorschütze Emil Buhl Laerke gerade einmal 19 Sekunden.

Aber von vorn: Florian Kehrmann hatte im Vorfeld ein „sehr unangenehmes Spiel“ für seine Mannen prognostiziert – und genau dies bekamen die 3368 Zuschauer in der Phoenix Contact-Arena von Anfang an zu sehen. Gegen die zunächst aggressive Eisenacher 5:1-Deckung, aus der zudem die Außenspieler immer früh Druck auf die Halbpositionen ausübten, mussten sich die Lipper zunächst einmal zurechtfinden. Auf beiden Seiten rückten zunächst die Keeper in den Fokus: Im dritten Anlauf überwindete Niels Versteijnen in Minute fünf erstmals ThSV-Hüter Mateusz Kornecki, nachdem Lukas Hutecek und Tim Suton noch leer ausgegangen waren. Peter Walz, der gegen Urh Kastelic zuvor noch den Führungstreffer vergeben hatte, sah nach zu hartem Einsteigen gegen Suton die erste Zeitstrafe.

Der TBV wusste diese Überzahl zu nutzen: Erst legte Samuel Zehnder vor, dann vollendete Jan Brosch den Gegenstoß zum 3:0. Mehr als sieben Minuten waren bereits von der Uhr, als der Aufsteiger erstmals jubelte (3:1). Wegen eines Wechselfehlers geriet Eisenach erneut in Unterzahl, Lemgo stockte auf: Ein Stolperer im Eisenacher Mittelblock eröffnete Hutecek freie Bahn (5:2). Eisenachs Coach Misha Kaufmann ging defensiv noch mehr Risiko, ließ fortan im 3:3 verteidigen und stellte den TBV vor eine neue Herausforderung.

Diese mutige Herangehensweise offenbarte dem Publikum das erwartet intensive Handballspiel. Eisenachs Willy Wehyrauch brachte den Aufsteiger zunächst in Schlagdistanz (5:4), ehe der TBV nach einer weiteren Kastelic-Parade und einem Suton-Konter zur bis dato höchsten Führung auf 8:5 davonzog (16.). Zwar provozierte die sehr offensive Deckung des Tabellen-17. immer wieder Lemgoer Fehler, doch auch dem Aufsteiger gelang in dieser ersten Halbzeit bei weitem nicht alles – daran hatte auch Kastelic in dieser Phase seinen Anteil. Thomas Houtepen markierte mit seinem entschlossenen Wurf unter die Latte schließlich den 14:11-Halbzeitstand, ein letzter Kempa-Trick der Gäste misslang.

Den besseren Start in Durchgang zwei erwischten effizientere Thüringer, die nach 37 Minuten durch Weyhrauch zum nicht unverdienten 16:16 ausglichen. Dem TBV war das Glück im Abschluss ein wenig abhandengekommen: Erst hatte Schagen vor dem Eisenacher Ausgleich nur das Gebälk getroffen, dann scheiterte Hutecek im Gegenstoß frei am glänzend reagierenden Matija Spikic. Auch Lemgos Sieben-gegen-sechs entfachte vor zunehmend hitziger Kulisse nicht die gewohnte Durchschlagskraft, stattdessen entwickelte sich ein mitreißender Abnutzungskampf. In Unterzahl brachte Eisenachs Alexander Saul seine Farben in Minute 41 erstmals in Führung (16:17), Suton sah nach einem Stoß ebenfalls zwei Minuten. Im Gegenzug wurde Hutecek von seinem ständigen Bewacher Philipp Meyer zu Boden gezerrt, Eisenach verteidigte 34 Sekunden lang zu viert, Lemgo attackierte zu sechst. Houtepen vollendete in den Knick zum 17:17 – doch es war der Aufsteiger, der bis zur 50. Minute stets um ein Tor vorlegte.

Nachdem Schagen erneut ausgeglichen hatte (22:22), steuerte das Spiel auf seinen Höhepunkt zu. Der TBV scheute keinen Zweikampf und erzwang Ballverluste, sogar in Unterzahl. Im zweiten Versuch verwertete S. Zehnder einen Tempogegenstoß zum 24:22. Kurz zuvor hatte der Schweizer im direkten Duell gegen Kornecki noch das Nachsehen gehabt. Huteceks Lattenknaller war nicht zu überhören, trotzdem stellte S. Zehnder mit seinem neunten Tor eineinhalb Minuten vor dem Ende erneut auf plus zwei. Eisenach verkürzte (25:24), mit einem zäh gespielten Angriff nahm der TBV Zeit von der Uhr.

Dann die Szene des Spiels: 36 Sekunden vor Ende und drei verbliebenen Pässen nahm Kehrmann die Auszeit. Sollte es schlussendlich auf den letzten Pass hinauslaufen, würde Emil Buhl Laerke draufhalten – so lautete der Plan. Und es kam, wie es kommen musste: Ein letzter Freiwurf 19 Sekunden vor Ende brachte Laerke an diesem Abend erstmals aufs Parkett. Der Däne nahm Maß – und versenkte den Ball mit seinem ersten Kontakt unnachahmlich im Netz. Es war die umjubelte Entscheidung zum vierten Heimsieg der Saison. Und Laerke? Der konnte sich vor herzenden Mitspielern kaum retten – und hatte das auch gar nicht erst vor.

Die Stimme zum Spiel von Florian Kehrmann: „Es war eine sehr leidenschaftliche Leistung beider Mannschaften. Ich muss meiner allerdings ein Kompliment machen: Wir haben vor dem Spiel gesagt, dass uns Eisenach in puncto Einsatzwillen und Leidenschaft hier in unserer Halle nicht voraus sein darf. Und genau das haben die Jungs geschafft. Sie sind immer dahin gegangen, wo es gegen Eisenach auch weh tut. Auch wenn es eng und knapp war, glaube ich, dass dieser Sieg verdient war. Ich glaube, jeder Gegner wird sich noch wehtun gegen Eisenach. Wir sind daher froh, diese zwei Punkte zu haben. In dieser Liga ist jeder Punkt wichtig, ganz unabhängig davon, wie die Gegner bis zum 34. Spieltag heißen. Wir versuchen, so viele Punkte wie möglich zu holen – und dann wird am 2. Juni abgerechnet.“

TBV Lemgo Lippe: Zecher (1 Parade), Kastelic (4 Paraden); Hutecek (3), Theilinger (1), S. Zehnder (9/6), Brosch (2), Simak, Laerke (1), Schagen (4), Carstensen, Suton (1), Zerbe, Versteijnen (1), Houtepen (3), Puls, Petrovsky (1)

ThSV Eisenach: Spikic (3 Paraden), Kornecki (4 Paraden); Reichmuth, M. Zehnder (7/2), Patrail, Walz (2), Mengon (1), Grgic (3), Meyer, Kraus, Donker (1), Kurch (1), Schneibel, Snajder (1/1), Weyhrauch (4), Saul (4)

Die Pressekonferenz nach dem Spiel:

Foto: Matthias Wieking