Heimsieg! Lemgo zähmt die Löwen erneut im eigenen Gehege
Wahnsinn! Nach leichten Anlaufschwierigkeiten legt der TBV Lemgo Lippe eine furiose erste Hälfte hin – und hat nach dem Seitenwechsel auch in brenzligen Phasen die richtigen Antworten parat. Durch das 33:30 (19:14) gegen die Rhein-Neckar Löwen revanchiert sich der TBV fürs Hinspiel – und schafft Historisches. Als der TBV letztmals zwei Heimspiele hintereinander gegen die Mannheimer gewann, hießen die noch SG Kronau/Östringen.
Das hatte in dieser Spielzeit bislang Seltenheitswert: 20 Sekunden waren im ersten Durchgang noch zu spielen, als sich die TBV-Fans beim Stand von 19:13 für ihren TBV erstmals an diesem Abend von den Sitzen erhoben und ihre Mannschaft für couragierte 30 Minuten belohnten. An Atmosphäre mangelte es dem Spiel von Beginn an nicht: Sorgte zunächst die ein oder andere Entscheidung des Schiedsrichtergespanns für Misstöne im Lemgoer Publikum, ging die Stimmungslage nach der Anfangsviertelstunde zunehmend über in Euphorie.
Nach dem anfänglichen 1:3-Rückstand gingen die Lipper im eigenen Angriff gegen bissige Gäste mutiger zu Werke: Mit einem gefühlvollen Heber über Löwen-Keeper Mikkel Appelgren hinweg, markierte Jan Brosch in Minute sechs erst den Ausgleich, ehe Niels Versteijnen einen sehenswert herausgespielten Kempa-Trick zur ersten Lemgoer Führung vollendete. Zwar währte dieser Vorsprung nur wenige Sekunden, doch die anschließende Überzahl spielte den Hausherren in die Karten, um sich leichte Feldvorteile zu erspielen. Nachdem Lukas Zerbe einen Hutecek-Pass zum 7:5 veredelt hatte, ging es hin und her: die vier Tore binnen 29 Sekunden änderten zwar nichts am Lemgoer Vorsprung, boten den 4341 Zuschauern in der Phoenix Contact-Arena aber höchsten Unterhaltungswert.
Kurz nachdem Finn Zecher auf einen schmeichelhaften Siebenmeterpfiff für Juri Knorr mit einer Parade die passende Antwort gegeben hatte, spielten sich die Lipper mit ihrem Tempospiel in einen regelrechten Rausch: Erst versenkte Ex-Löwe Gedeón Guardiola zum 13:10, dann sorgte Zecher auch aus dem Spiel erstmals für Aufsehen, als er sich vor Uwe Gensheimer aufbaute und die freie Wurfchance sehenswert vereitelte. G. Guardiola traf mit der zweiten Welle abermals zur bis dato höchsten Führung, ehe Leve Carstensen, der vor allem als Einläufer stets für Trubel im Löwenrudel sorgte, mit seinem ersten Abschluss auf 15:10 stellte.
Während sich der ein oder andere Lemgoer Fan ob dieses Zwischenstands gezwickt haben dürfte, gerieten die Löwen wortwörtlich ins Stolpern und luden die Lipper zu Gegenstößen ein: Nutznießer waren Isaias Guardiola und Leve Carstensen, der verdiente Lohn: eine Sieben-Tore-Führung nach 28 Minuten (19:12). Trotz der zwei Gegentore vor der Pausensirene ging es mit einem bemerkenswerten Vorsprung in die Katakomben.
Mit gefletschten Zähnen legten die Löwen einen schwungvollen Restart hin: Während Niklas Kirkelokke und Lukas Nilsson verkürzten, verfehlten Lemgos erste drei Angriffe ihr Ziel. Entsprechend groß fielen die Jubelschreie aus, als Simak den Bann brach und auf 20:16 stellte. Auch in den Folgeminuten blieb es zunächst brenzlig: Erst traf Kirkelokke mit Schmackes die Unterkante der Latte, dann bekam Brosch nach einem augenscheinlichen Gesichtstreffer gegen Ymir Gislason eine Zeitstrafe. Das Lemgoer Publikum bewies einmal mehr ein feines Näschen und pushte die Mannschaft mit lautstarken Lemgo-Rufen nach vorne. Vor allem Lemgos Spielmacher ging in dieser Phase voran: Erst bescherte Lukas Hutcek im Alleingang das 22:18 und vollendete den Lemgoer 3:0-Lauf mit purer Entschlossenheit zum 24:18 nach 40 Minuten. Obgleich die Lipper weiterhin alles Nötige investieren mussten, sollte sich der Tabellenvierte von diesen Nackenschlägen nicht mehr erholen. Als Zecher kurz darauf mit den Fingerkuppen einen Kirkelokke-Heber entschärfte und Zerbe vom Punkt zum 27:20 traf, nahm der sechste Heimsieg in dieser Saison stärkere Konturen an.
Mannheim hatte keine Zeit mehr zu verlieren, der Vorsprung schmolz bis zur 50. Minute auf 29:24. Doch ebenso wie die Löwen auf dem Feld, warfen nun auch die TBV-Fans alles in die Waagschale. Es wurde hitzig – und das Nervenkostüm der Gäste schien allmählich überstrapaziert. Nachdem G. Guardiola in Lemgoer Unterzahl zum wichtigen 31:25 traf, handelte sich die Mannschaft von Sebastian Hinze gleich zwei Zeitstrafen ein. Zerbe behielt abermals vom Punkt die Nerven und konterte Knorrs Schlitzohrigkeit geradewegs mit seinem sechsten und dem letzten Lemgoer Tor an diesem Abend zum 33:27 (55.). Für die Löwen erwies sich dieser Vorsprung trotz allerletzten Aufbäumens als zu hoch – zum Jubel aller Lipper, die sich kurz darauf in den Armen lagen.
TBV-Trainer Florian Kehrmann: „Wir haben heute verdient gewonnen und das genutzt, was uns zu Hause stark macht: Zum einen hat die Halle wieder Druck gemacht und uns toll unterstützt, zum anderen hat sich die Mannschaft durch das Tempospiel in einen Rausch gespielt. Ein Schlüssl war trotzdem, dass wir das Tempospiel der Löwen auch gut verteidigt und es oft geschafft haben, die Stoppfouls zu ziehen. Und wenn wir mal ein schnelles Gegentor bekommen haben, haben wir das auch wieder beantwortet. Wir haben strukturiert im Angriff agiert und uns viele gute Chancen herausgespielt. In der zweiten Halbzeit hatten wir eine Phase, in der auf Ballgewinne hoffen mussten. Ich habe der Mannschaft vor dem Spiel gesagt, dass hohe Effektivität im Angriff heute allein nicht reichen wird. Das 7:6 war kurz eine Überlegung, als wir uns schwergetan haben, aber die Mannschaft hat Antworten gefunden. Es war heute einfach eine tolle Teamleistung.“
TBV Lemgo Lippe: Zecher, Kastelic; Hutecek (5), Brosch (2), I. Guardiola (2), Simak (3), Laerke (2), Schagen, Blaauw, Suton (1), Zerbe (6/3), Versteijnen (6), G. Guardiola (4), Carstensen (2), Houtepen
Rhein-Neckar Löwen: Appelgren, Späth, Birlehm; Gensheimer (4/2), Zacharias, Kirkelokke (5), Timmermeister, Grupe, Knorr (6/2), Helander, Lagergren, Groetzki (2), Forsell Schefvert (3), Michalski, Horzen (6), Gislason, Nilsson (4), Kohlbacher