7. Juni 2023

33:30! Lemgo in Leipzig mit dem längeren Atem

Spannung bis zum Schluss – bis zum Hutecek-Geschoss: Als Lemgos Spielmacher 30 Sekunden vor der Schlusssirene abhebt und den Ball über den Leipziger Block hinweg in die Maschen setzt, ist der Rest nur noch Formsache: Im Verfolgerduell beim SC DHfK Leipzig behält der TBV Lemgo Lippe trotz Pausenrückstands die Oberhand, fährt durch das 33:30 (14:16) den fünften Sieg in Serie ein – und verteidigt einen einstelligen Tabellenplatz.

Für das letzte Auswärtsspiel der Saison konnte Florian Kehrmann wieder auf Frederik Simak zurückgreifen, der nach überstandener Fußverletzung zunächst jedoch auf der Bank Platz nahm. Als Ersatz für den kürzlich operierten Bobby Schagen (Probleme an der Achillessehne) hatte Kehrmann zudem den 20-jährigen Rechtsaußen Malte Runge vom Team HandbALL ins Aufgebot der Profis berufen.

Mit den Guardiola-Zwillingen in der Anfangssieben bot der TBV den Sachsen eine ausgeglichene Anfangsphase, in der die Hausherren zunächst den Takt vorgaben. Die Lipper mussten sich von Beginn an ins Zeug legen, um die robuste und dichte Deckung des Gastgebers in den ersten zehn Minuten in Verlegenheit zu bringen. Nach Gedeón Guardiolas Ausgleich zum 2:2 brachte Maciej Gebala seine Farben postwendend zurück in Führung, ehe Leipzig durch Simon Ernst in Minute sieben erstmals auf zwei Tore davonzog.

Doch Lemgo fand nun bessere Lösungen: Ein perfekt getimter Bodenpass von Lukas Hutecek auf den eingelaufenen Lukas Zerbe führte zum Anschluss, ehe ein Hutecek-Steal dem Gegenstoß zum 5:5-Ausgleich durch Zerbe vorausging (10.). Obwohl Leipzig postwendend antwortete, brach zunächst Isaias Guardiola nach einem weiteren Hutecek-Assist durch zum erneuten Ausgleich, ehe sich bei der ersten Lemgoer Führung einmal mehr das blinde Verständnis der Zwillingsbrüder offenbare: I. Guardiola legte ab auf G. Guardiola, der wiederum den Ball gefühlvoll über Leipzigs Keeper Mohamed El-Tayar hinweg ins Tor bugsierte. Auch wenn dies der einzige Lemgoer Vorsprung im ersten Durchgang sein sollte, blieb die Partie Spitz auf Knopf.

Kurz darauf sah Leipzigs Abwehrchef Simon Ernst die Rote Karte – eine zugegeben harte Entscheidung des Schiedsrichtergespanns, das einen aktiven Griff in Huteceks Wurfarm gesehen haben wollte. Wie dem auch sei: Zehnder verwandelte den fälligen Strafwurf – und erzielte kurz darauf nach Expresspass von Hutecek sein 150. Bundesliga-Tor zum 9:9-Ausgleich (18.).

Der TBV hatte stets eine Antwort auf den Rückstand, ehe eine Zeitstrafe gegen Tim Suton seinen Keeper ins Rampenlicht brachte. Denn Urh Kastelic sorgte mit drei bärenstarken Paraden – darunter ein Strafwurf von Lucas Krzikalla – dafür, dass der TBV die Unterzahl schadlos überstand. Weil Lemgo in der Endphase allerdings kaum noch Zugriff in der Abwehr bekam, auch weil Suton zuvor seine zweite Zeitstrafe gesehen hatte, ging es mit zwei Treffern Rückstand in die Pause.

Mit einem starken Wiederbeginn der Lipper legten sie den Grundstein für eine äußerst spannende zweite Halbzeit: Zwar traf Leipzig nach dem Anwurf zur ersten Drei-Tore-Führung, sah sich kurz darauf allerdings in Unterzahl nach Ivics zu hartem Einsteigen. Erst verkürzten Zehnder und Niels Versteijnen auf 16:17, ehe Sutons „Stecker“ auf Zehnder nach 37 Minuten den 18:18-Ausgleich bescherte.

Vor den 4463 Zuschauern in der QUARTERBACK Immobilien Arena entwickelte sich ein echter Krimi. Leipzig legte vor, Lemgo zog nach: Nach diesem Schema verliefen die nächsten Minuten, bis zum wiederholten Lemgoer Ausgleich durch Suton. Mit Anbruch der Schlussviertelstunde war es einmal mehr Lemgos Halblinker, der zur ersten Führung im zweiten Durchgang traf. Dass Lemgo in dieser Phase der Turnaround gelang, lag auch an Kastelic: Erst hatte der Slowene die nächste Parade vor dem Führungstreffer verzeichnet, ehe auch der Strafwurf von Krzikalla an ihm abprallte. Auf der Gegenseite machte es Zehnder besser – und erhöhte auf 25:23.

Fortan gab der TBV mit teils wuchtigen „Hütten“ den Takt an, Leipzig hielt mit – und stellte die Partie durch Lukas Binder in Minute 54 wieder pari (28:28). Der Gastgeber verteidigte nun sehr forsch, Lemgo legte die Lücken offen, die ein freigespielter Jan Brosch zweimal bestrafte. Dann die entscheidenden Szenen: Erst stellte sich Kastelic mit seiner 15. Parade bärenstark dem heranrauschenden Oskar Sunnefeldt in den Weg, ehe Lukas Hutecek nach dem letzten Pass zum besagten Wurf hochstieg. 30 Sekunden vor Schluss stand es 32:30 – und weil sich Leipzig-Coach Runar Sigtryggsson bei den genommenen Auszeiten geirrt hatte – das Spiel war daraufhin für kurze Zeit unterbrochen –, sah dieser eine Zeitstrafe und brachte Lemgo erneut in Ballbesitz. Zerbe machte mit seinem vierten Tor den Deckel drauf.

TBV-Trainer Florian Kehrmann: „Unglaublich, die Jungs machen mich wirklich sprachlos. Wir haben in heißer Atmosphäre gegen kämpferisch wirklich stark agierende Leipziger voll dagegengehalten. In der ersten Halbzeit liegen wir wegen zwei nicht bekommener Abpraller in Rückstand, haben es dann aber geschafft, uns in das Spiel zu kämpfen und konnten in der Crunchtime in Führung gehen. Dann hatten wir die Sicherheit, immer wieder ein Tor machen zu können. Am Ende ist es vielleicht auch etwas Glück, aber trotzdem ein voll verdienter Sieg. Wir mussten alles auspacken in der Abwehr und haben auch im 7:6 wieder Erfolg gehabt. Jetzt sind wir froh, das letzte Auswärtsspiel gewonnen zu haben und freuen uns auf eine hoffentlich sehr volle Halle gegen die Füchse Berlin.“

TBV Lemgo Lippe: Zecher, Kastelic (15 Paraden); Hutecek (5), Zehnder (8/4), Brosch (2), I. Guardiola (1), Simak, Laerke, Blaauw, Schwarzer, Suton (7), Zerbe (4), Versteijnen (4), G. Guardiola (2), Runge, Houtepen

SC DHfK Leipzig: Saeveraas, El-Tayar (7 Paraden); Wiesmach (3), Ernst, Witzke (8), Krzikalla (1/1), Binder (2), Klima (3), Ivic (3), Preuss, Sunnefeldt (3), Gebala (4), Matthes (1), Leun, Sajenev, Heitkamp

Foto: Karsten Mann / SC DHfK Leipzig