Vor ausverkauftem Haus teuer verkauft: Lemgo unterliegt Magdeburg
Erst gut mitgehalten, dann die Grenzen aufgezeigt bekommen und sich im zweiten Durchgang gegen alle Widrigkeiten gestemmt: Am Ende eines spektakulären Nachmittags muss der TBV Lemgo Lippe im ersten Heimspiel dieses Jahres zwar eine 28:34 (15:21)-Niederlage gegen den Favoriten aus Magdeburg hinnehmen, verkauft sich aber besonders im zweiten Abschnitt teuer. Der Magdeburger Acht-Tore-Vorsprung war nach einer Dreiviertelstunde auf zwei geschmolzen – doch der Aufholjagd mussten die Lipper Tribut zollen.
Vor 4520 Zuschauern in der ausverkauften Phoenix Contact-Arena entwickelte sich von Beginn an ein munterer Schlagabtausch, den die Lipper durch Niels Versteijnen mit Anbruch der 2. Spielminute eröffneten. Leider blieb es die einzige Lemgoer Führung. Denn obgleich der TBV dem amtierenden Deutschen Meister in der Anfangsviertelstunde Paroli bot, glitt den Hausherren das Spiel zunehmend aus der Hand.
Ärgerlich: Die zwischenzeitlich doppelte Überzahl konnten die Blau-Weißen nicht zu ihrem Vorteil nutzen. Zwar glich Lukas Zerbe jeweils aus zum 3:3 und 4:4, doch der SCM konterte mit Gisli Kristjansson und Philipp Weber, der vom Punkt verwandelte. Diese frühe Phase war ein Spiegelbild dessen, was den Lippern in Durchgang eins fehlte: In der 6:0 hatte der TBV den schnellbeinigen Magdeburgern zu selten etwas entgegenzusetzen. Dass die Gäste ihre Führung nach 15 Minuten sukzessive ausbauen konnten, lag auch daran, dass sich beim TBV auch noch das Abschlusspech dazugesellte. Über 9:12, 10:15 und 11:19 war der Klubweltmeister bis zur 28. Minute fast schon uneinholbar davongeeilt.
Mit Frederik Simak und Bobby Schagen hatte Kehrmann seine Mannen nach zwischenzeitlicher Auszeit ins 7:6 beordert, doch die Fehlwürfe wurden zum Bumerang. Weil Urh Kastelic nicht immer rechtzeitig zur Stelle sein konnte, schraubte Magdeburg das Ergebnis mit einfachen Toren in die Höhe. Lukas Hutecek beendete die gut sechsminütige Durststrecke mit seinem Tor zum 12:19. Durch die Umstellung auf die 5:1-Abwehr bekam der TBV etwas mehr Zugriff, Lukas Zerbe vollendete den Tempogegenstoß zum 14:20. Stark, wie Simak nach einem Fehlwurf von Emil Buhl Laerke am schnellsten schaltete und im Nachsetzen den 15:21-Halbzeitstand markierte.
Entschieden war diese Partie aber noch lange nicht. Nach dem Seitenwechsel krempelte der TBV die Ärmel hoch und brachte den Favoriten so mehr und mehr in Bredouille. Vor allem in der Abwehr kamen die Lipper viel besser in die Zweikämpfe, erzwangen das ein oder andere unsaubere Magdeburger Anspiel – und profitieren auch davon, dass der SCM freie Würfe leichtfertig übers Tor setzte.
Als Kian Schwarzer, der mit sechs Treffern gehörig Anteil am Lemgoer Aufschwung hatte, auf 17:22 verkürzte, brachte der Linksaußen kurz darauf mit seinem Kempa-Zuspiel auf Versteijnen den Lemgoer Hexenkessel zum Brodeln. Lemgos stärkste Phase war eingeläutet: Erneut schweißte Schwarzer den Ball vorbei an Gästekeeper Nikola Portner, dann vergoldete Gedeón Guardiola in Minute 40 einen mustergültig vorgetragenen Gegenstoß zum 20:23.
Es kam noch besser: Trotz zwischenzeitlicher Unterzahl blieb Lemgo in der Abwehr konzentriert, störte die Magdeburger Anläufe früher und sammelte Steals. Als Schwarzer den Ball ins verwaiste Tor bugsierte – Magdeburgs O’Sullivan hatte eine Zeitstrafe bekommen – war das Lemgoer Publikum völlig aus dem Häuschen. Die Stimmung war auf dem Siedepunkt. Doch das beeindruckende Aufbäumen kostete Körner – und der Klubweltmeister zog noch gerade rechtzeitig den Kopf aus der Schlinge.
Nach 50 Minuten hatten sich die Gäste wieder auf fünf Treffer abgesetzt – eine Hypothek, die sich für den wacker kämpfenden Gastgeber aber als zu hoch erwies. Auch wenn der Rest Ergebniskosmetik blieb: Der TBV hatte sich im zweiten Durchgang teuer verkauft, seinen Anhängern noch einmal einen höchst unterhaltsamen Handballnachmittag beschert – und kann auf der Leistung im zweiten Durchgang aufbauen.
TBV-Trainer Florian Kehrmann: „Wir haben in der ersten Halbzeit nie richtig in die Abwehrarbeit gefunden, wir haben es weder in der 6:0 noch in der 5:1 geschafft, die Lücken zu schließen. Dann haben wir uns auch im Angriff nach gut zwölf Minuten schwergetan. Im 7:6 treffen wir dann super Entscheidungen, aber schießen die freien Bälle nicht rein. Dadurch kommen wir nicht näher ran. Trotzdem sind wir immer Spiel und schaffen es über eine verbesserte Abwehrarbeit das Spiel eng zu halten. Aber es hat auch sehr viel Kraft gekostet, dann haben ein paar Dinge dazu geführt, dass Magdeburg wieder davonziehen kann. Ich bin trotzdem sehr stolz auf die Jungs, wie sie im dritten Spiel in acht Tagen noch einmal alles reingepackt haben. Ich bin sehr stolz, wie uns die Zuschauer unterstützt haben. Aber: Gegen einen Deutschen Meister muss halt alles passen. Dafür hätten wir von Anfang an in der Abwehr Beton anrühren müssen. Daran müssen wir arbeiten – und das werden wir auch.“
TBV Lemgo Lippe: Zecher, Kastelic (4 Paraden); Hutecek (1), Brosch (1), Simak (1), Laerke (3), Schagen, Blaauw, Schwarzer (7), Suton, Zerbe (8/3), Versteijnen (6), G. Guardiola (1), Carstensen
SC Magdeburg: Behrendt, Portner (9 Paraden); Meister (2), Chrapkowski, Lipovina (1), Musche, Kristjansson (8), Hornke (3), Kloor, Weber (6/1), Mertens, O’Sullivan (1), Bezjak (2), Smits (7/2), Damgaard, Bergendahl (4)